Karfreitag:Textimpuls von Ruth Hermanns
Wenn wir heute diese Geschichten der Kreuzigung Jesu hören, dann sind sie Vielen auf der einen Seite vertraut. Aber sie sind auch gewaltig, sprechen von schrecklicher Gewalt.
Und da tönt es bei der Kreuzverehrung: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung?
Wie soll das gehen, wie kann das sein?
Im Kreuz ist doch Schrecken und Tod.
So erlebt es auch der kleine, schwer krebskranke Junge Oskar (im Buch „Oskar und die Dame in Rosa“, von Autor Eric Emmanuel Schmidt in Andenken an seinen verstorbenen kleinen Bruder geschrieben):
Oskar erschrickt über den toten, gequälten Mann am Kreuz in der Krankenhauskapelle, über den er nichts weiß.
Was sollen wir mit so einem, einem Gott, der nichts ausrichten kann gegen Gemeinheit, Ungerechtigkeit, Gewalt, Epidemien, Sterben von Menschen, von Kindern.
Was ist das für ein Glaube???
Im Buch versucht die die Dame in Rosa (eine „grüne Dame“, würden wir in Deutschland im Krankenhaus sagen) dem Jungen Oskar zu erklären:
„Denk nach, Oskar. Wem fühlst du dich näher? Einem Gott, der nichts fühlt, oder einem Gott, der Schmerzen hat?“
Um Vertrauen geht es. Nicht in einen Superhelden, einen Batman, der mich rettet, rausholt aus der Gefahr (so sehr wir uns das auch wünschen).
Um Vertrauen in Einen, der ist wie ich und der sich mir menschlich zur Seite stellt.
Und der mich auch vor die Wahl stellt: Willst du an deinem Schicksal, wenn du es nicht ändern kannst, verbittern, es nur beklagen, dich von Ungerechtigkeitsempfinden zerfressen lassen, dich verhärten? All das steht uns natürlich zu.
Aber soll es das letzte Wort haben?
Oder möchte ich eine andere Haltung in mir erringen?
Wie dieser junge Mann Jesus:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ So ist es auch von ihm überliefert.
Und doch auch: „In deine Hände lege ich meinen Geist.“
Dieses Kreuz, dieser Kreuzweg, steht für schlimmste Erfahrungen, die Menschen in ihrem Leben machen, vor denen kein Gott sie bewahrt.
Und dieses Kreuz steht für unsere Entscheidung, wie wir damit umgehen wollen:
Ob wir zulassen, unabwendbares Leiden durch unsere Haltung noch schwerer, bitterer zu machen.
Oder ob wir uns durchringen zu diesem Vertrauen: Daß wir liebenswerte, tapfere Menschen sind, viele hart vom Leben getroffen – und dabei gesehen und begleitet werden von einem menschlichen Gott, der selbst grausames menschliches Schicksal durchlitt. Er hielt voll Angst und voll Vertrauen fest daran, daß Gott ihm in alledem liebevoll zur Seite ist – und er erlebte im Tod Verwandlung in neues, ewiges Leben.
Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.