Dialogverweigerung und fehlende Bereitschaft zur Partizipation:Stadtdechant über Ratskoalition verwundert
„Die Ratskoalition bestätigt den gegen sie im Raum stehenden Vorwurf der Dialogverweigerung und einer fehlenden Bereitschaft zur Partizipation“, so bewertet Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken die Reaktionen der Koalitionsparteien auf seine Stellungnahme zur Verkehrspolitik. Die Pressemitteilungen der Ratsfraktionen zeigten keinen wirklichen Willen zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Auch sei ihnen kein Angebot zum Dialog zu entnehmen. Die Bonner Regierungsparteien seien mit dem Anspruch angetreten, einen neuen Politikstil pflegen und Partizipation ermöglichen zu wollen. Dem werde man bei der Entwicklung und Umsetzung der Verkehrswende nicht gerecht. „Eine Demokratie lebt bekanntermaßen von der Konkurrenz der Meinung und unter guter Politik versteht man gemeinhin die Kunst des Möglichen. Das sollte die Ratskoalition mehr berücksichtigen“, so der promovierte Politikwissenschaftler. Es sei nicht sachdienlich, jede Diskussion zu verweigern und sich auf seine eigenen Ideen und Konzepte zu versteifen. Das schade dem Ziel des Umweltschutzes, für den es in der Bevölkerung einen breiten Konsens gebe.
Die Ratskoalition berücksichtige zu wenig, dass man Mehrheiten nicht durch Wahlen besitze, sondern sie für jedes Thema in der Bevölkerung neu gewinnen müsse, damit politische Entscheidungen mitgetragen würden. „Bei so einem wichtigen Thema wie der Verkehrswende hätte es eine breitangelegte Partizipation und eine konstruktive Debatte in der Stadtgesellschaft gebraucht, damit das beste Ergebnis für die Ökologie zustande kommt. Leider hat die Koalition das versäumt. Sie nimmt die Bürger nicht mit und provoziert eine Polarisierung“, stellt Dr. Picken fest. In anderen Kommunen würden solche politischen Fragen durch eine Bürgerbeteiligung zu guten Ergebnissen geführt und hohe Zustimmungswerte erzielt. Die Ratskoalition würge stattdessen die Anfragen vieler BürgerInnen und Akteure ab und vermittle den Eindruck, als gäbe es bis in das einzelne Detail keine bessere Lösung als ihre. „Diese Diskussionsverweigerung und fehlende Offenheit vermitteln den fragwürdigen Eindruck von Ideologie. Das führt in der Bevölkerung zu Frustration und riskiert, dass die radikalen Kräfte in der Stadt gestärkt werden“, so der Stadtdechant weiter.
„Der Umgang der Ratskoalition mit Kritik ist wenig sachorientiert und politisch fragwürdig“
Stadtdechant wird sich weiter äußern
Bonns Stadtdechant ist auch über den Argumentationsstil der Regierungsparteien und mancher Debattenbeiträge verwundert. „Wenn man auf Kritik zuerst damit reagiert, dass man die Berechtigung des Kritikers zu einer Stellungnahme in Frage stellt, hat man in einer Demokratie inhaltlich schon verloren“, so Dr. Picken, der auch Lehrbeauftragter für Politikwissenschaften an der Bonner Universität ist. Gerade in einer polarisierten Stimmung sei es unangemessen, mit persönlichen Angriffen und Ironie zu agieren. Grotesk sei es geradezu, einem Kritiker das fehlende Bewusstsein für den Umweltschutz abzusprechen, weil er die eigene Meinung nicht bis ins Detail teilt. Viele Akteure, die sich in der Debatte zur Verkehrswende zu Wort gemeldet hätten, berichteten übereinstimmend von solchen Erfahrungen vollständiger Dialogverweigerung. Es sei im Übrigen eine gravierende Fehleinschätzung, wenn man die Meinung des Bonner Stadtdechanten als „private Meinungsäußerung“ zu bagatellisieren versuche. „Wenn sich die Kirche mit der Sorge zu Wort meldet, dass die gegenwärtige Verkehrspolitik die Stadtgesellschaft unnötig polarisiert, und zu mehr konstruktivem Dialog aufruft, wären die Verantwortlichen gut beraten, sensibler zu reagieren“, so Dr. Picken. Es sei die Aufgabe des Stadtdechanten, auf Stimmungslagen in der Stadt hinzuweisen und dafür einzutreten, dass sich die Bürgerinnen und Bürger hinreichend in Prozesse einbezogen wissen. Auch sei die Kirche verpflichtet, sich zu Wort zu melden, wenn bei politischen Entscheidungen Regeln der Inklusion verletzt würden. Die gegenwärtige Umsetzung der Verkehrswende erschwere deutlich die Versorgung der Menschen, die häuslich betreut werden müssen, und behindere die Mobilität derer erheblich, die aufgrund einer Beeinträchtigung auf ein Auto angewiesen seien. Schließlich sei es angesichts gravierender sozialer Nöte und Existenzsorgen in der Stadt die Pflicht der Kirchen, bei allen haushaltsrelevanten Entscheidungen zu mahnen, dass der Faktor Mensch angemessen im Blick bleibt. „Der Rat der Stadt und die Bürgergesellschaft können sicher sein, dass sich der Stadtdechant von Bonn auch weiterhin immer dann zu Wort melden wird, wenn er meint, dass es für die Stadtgesellschaft oder die Kirche von Bedeutung ist. Ich werbe dafür, solche unabhängigen Stimmen zu schätzen und als Beitrag für den Dialog aufzugreifen“, fordert Dr. Picken.